WESEN – Abwesend (2024)

Band: WESEN
Album: Abwesend
Genre: Melodic Post-Black Metal

Trackliste:
01. Sterbe ich wieder
02. Hilflos
03. Fall
04. Abwesend
05. Frei von mir
06. Ich suche dich
07. Kalt
08. Last

WESEN, die Tiroler Post-Black-Metal-Formation, wurde 2024 gegründet und hat bereits im August des Jahres ihren ersten Long-Player vorgelegt. An dieser Stelle sei allerdings der Hinweis gestattet, dass wir es hier nicht mit einer Jungspund-Band zu tun haben, die ihre ersten musikalischen Schritte wagt, sondern mit durchaus erfahrenen Musikern, die teilweise bereits bei PERCHTA, FIRTAN, LICHTSPIELHAUS oder ASPHAGOR Erfahrung gesammelt haben. Im Zentrum steht aber der Gitarrist Lukas Massinger, aus dessen Feder und Saiten die Songs von Abwesend stammen.

Die ersten Sekunden im Album machen gleich einen positiven Eindruck: atmosphärische Gitarren, ein fein brummender Bass, unaufdringliche aber präsente Drums und sehr sauber abgemischt. Die Vocals sind zunächst hauchend-flüsternd, entwickeln sich dann aber mehrstimmig. Insgesamt nimmt der Song „Sterbe ich wieder“ dann Fahrt auf, es wird rauher, die Gitarren verzerrt, die Vocals dunkler und krächzender. Gegen Ende beruhigt er sich wieder und klingt ruhig aus. Die Songs sind insgesamt dynamisch, abwechslungsreich, da gibt es wuchtige, schwere Gitarren wie in „Hilflos“ oder in „Fall“ auch mit proggy Einschlag oder ruhigere, nachdenkliche Passagen wie in „Abwesend“ oder ein mächtiger Kontrast zwischen Zärtlichkeit und kraftvollem Aufbruch wie in „Ich suche dich„. Immer wieder gibt es auch elektronische Einsprengsel. Die Songprogression ist dabei nicht vorhersehbar, was die Hörerin aufmerksam hält, gleichzeitig aber auch nicht zu unkonventionell, dass es sperrig wäre. Die Vocals sind allerdings weitgehend nicht sehr überzeugend, wirken mitunter sogar deplatziert wie die Clean Vocals in „Hilflos„.
Für jemanden wie mich, dem auch die Lyrics wichtig sind, fällt auf, dass es eine gewisse Diskrepanz zwischen der Dramaturgie der Songs und dem Storytelling der Lyrics gibt. Wenn das Motiv von Schwere und Kraftlosigkeit mit kraftvollen Drums und wuchtigen Gitarren vertont wird, ist das (für mich) kein interessanter Kontrast, sondern widersprüchlich. Das ist insbesondere schade, weil das größere Thema des Albums offenbar sowohl Angst, die damit verbundenen Einsamkeit und Hilflosigkeit, als auch der hoffnungsvolle, optimistische Blick in die Zukunft ist und so eine große Bandbreite an Emotionen aufgreift, die sich allerdings nicht ganz stimmig im musikalischen Ausdruck wieder finden. Besser gelingt das beispielsweise in „Abwesend„, dem für mich auch besten Songs des Albums, wo der besungene Vertrauensverlust sich sowohl in den nachdenklich-melancholischen als auch in den düsteren zornigen oder den kraftvoll ermutigenden Passagen atmosphärisch widerspiegelt.

Fazit:
Das Album ist für mich interessant, aber nicht ganz rund. Es sind versierte Musiker*innen am Werk, die wissen, was sie tun und Ihre Instrumente beherrschen. Das Songwriting ist abwechslungsreich und mit einigen durchaus spannenden Wendungen, ohne sperrig und unzugänglich zu sein. Weitgehend nicht überzeugend ist die Vocals-Spur. Ein für mich persönlich störendes Detail ist die Diskrepanz zwischen musikalisch erzeugter Atmosphäre und in den Lyrics behandelten Motiven. Dennoch: wer Post-Black- Metal mag und offen für proggy Einflüsse ist, könnte das Album durchaus mögen.

Punkte: 6/ 10

Autor: distelsøl