THE GREAT SEA – Noble Art Of Desolation (2025)

Band: THE GREAT SEA
Album: Noble Art Of Desolation
Genre: Black Metal

Trackliste:
01. The Water Remains
02. Eden Unfolded
03. The Maze
04. No Peace Among Men
05. Fading (Instrumental)
06. Upright In Nothing
07. Walking At The Edge Of Death

THE GREAT SEA ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zweier Musiker, die man im klassischen Black Metal nicht unbedingt erwartet hätte, denn Janosch „JR“ Rathmer und Stefan „SH“ Hackländer haben ihre Wurzeln ursprünglich im Post-Rock, Progressive Metal und Melodic Death, liefern aber mit Noble Art Of Desolation ein Debüt ab, das sich atmosphärischem, landschaftsmalerischem Black Metal in der Tradition der Neunziger widmet. Unterstützung kam dabei von niemand geringerem als Azathoth (Gràb, ex-Dark Fortress) und Phil „sG“ Jonas (ex-Secrets of the Moon), deren Beteiligung dem Album sowohl Tiefe als auch Charisma verleiht.

Mit einem klingenden Schlagzeugintro und avantgardistischer Ruhe eröffnet „The Water Remains“ – ein singender Gitarrensound leitet die mystische Nummer ein, die schließlich in einem langen Shriek explodiert. Dunkel, tief und eingängig zieht der Track bei gleichbleibendem Beat seine Bahn. Die Stimmung entsteht durch kontrollierte Gleichförmigkeit und die Dark-Fortress-inspirierte Taktführung. Nach einem Taktwechsel fällt der Track ins Midtempo. Technisch saubere Riffs und reißende Blasts runden ein Konzept ab, das auf Tiefe und Faszination setzt. Einziger Kritikpunkt: Das Mastering hätte ausgewogener sein können – die Rhythmusgitarre ist kaum hörbar, während die Drums sehr präsent sind. Dennoch ein starker Einstieg, der mit einem erhabenen, hoch technischen Solo endet und gleich klarmacht: Technik können die Jungs.

Im marschierenden Stil von „Baphomet“ (Dark Fortress – Eidolon) beginnt „Eden Unfolded“ und verliert dabei weder Takt noch Melodie. Klare Vocals, unverkennbar von „sG“, fügen sich nahtlos in die Gesamtstruktur ein und verleihen dem Stück Tiefe und Charakter. Der gleichbleibende Takt ermöglicht es, trotz Tempiwechsel, den Lyrics besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Allerdings wirkt der Übergang von „The Water Remains“ holprig, denn der blackige Einstieg sowie die nicht weniger blackige Gitarren- und Bassline will nicht so recht zum relativ klaren Gesang passen, was bei „Eden Unfolded“ kein ganz schlüssiges Bild ergibt, obwohl die Nummer so stark an Werke von Secrets of the Moon erinnert.

Wuchtig und mit ordentlich Tempo startet „The Maze„. Der Black Metal der alten Schule ist zurück: melodisch, reißend und fetzend. Dabei bleibt der Track durchweg technisch versiert und tiefgründig. Er rollt förmlich voran und verbreitet eine düstere, fast erhabene Atmosphäre. Ein Song, der das Herz eines jeden Dark-Fortress- oder Keep-of-Kalessin-Fans höherschlagen lässt, aber recht wenig Eigenständigkeit, dafür aber viele 90er Vibes mitbringt.

No Peace Among Men“ knüpft stilistisch an, ist aber mystisch, schwer und von bitterer Melancholie getragen. Die Gitarrenarbeit und die Melodieführung erinnern unweigerlich an Dissection oder alte Gaerea und obwohl die Nummer musikalisch stimmig umgesetzt ist, verliert sie durch ihre Länge und gleichbleibende Struktur an Spannung und lässt die Aufmerksamkeit des Hörers etwas abflachen.

Fading“ (Instrumental) ist weder besonders gut noch störend, aber schlichtweg entbehrlich, da das Album durchgehend einem stringenten Konzept folgt und keine klassische B-Seite besitzt, wirkt dieses Interlude etwas überflüssig.

Bedrohlich und druckvoll beginnt „Upright In Nothing“. Das langsame Tempo, gepaart mit epischem Hintergrundsound und halb gutturalen Vocals, erzeugt eine stimmige, geheimnisvolle Atmosphäre, die im weiteren Verlauf erhalten bleibt, obwohl das Tempo ordentlich anzieht. Einiges bietet bei „Upright In Nothing“ auch die Gitarrenarbeit, die durch ihre technische Komplexität nochmal klar macht, dass man es hier nicht mit Anfängern an den Instrumenten zu tun hat. Obwohl es nach dem Mittelteil nicht mehr ganz gelingt, den enormen Druck und die tiefgründige Atmosphäre wieder aufzunehmen, ist „Uprigt In Nothing“ durch ihre technische Gitarrenarbeit und durchdachte Struktur eine durchaus gelungene Nummer.

Der Closer „Walking At The Edge Of Death“ liefert Marschtempo und Reiterriffs in perfekter Atmosphäre. Der Inbegriff von Nostalgie: stilistisch ein direkter Rückgriff auf die 90er, kombiniert mit modernen Elementen des Atmospheric Black. Ein würdiger Abschluss, der das Album gelungen abrundet.

Fazit:
Noble Art Of Desolation ist ein starkes Debüt, das neben dichter Atmosphäre und musikalischer Präzision durch durchdachtes Songwriting glänzt. Obwohl stellenweise die eigene Handschrift fehlt und das Album hinter den Großen der guten alten Zeit zurückbleibt, hat es dennoch seinen eigenen Zauber – getragen von stimmigen Arrangements, einem klaren Konzept und dem Gespür für die melancholische Tiefe des Genres. Einzelne Passagen verlieren jedoch etwas an Spannung, etwa wenn sich Strukturen zu sehr wiederholen oder – wie bei „Fading“ – ein Instrumentalstück ohne erkennbare Funktion das Gesamtbild verwässert. Auch das Mastering offenbart Schwächen, insbesondere bei „The Water Remains„, wo die Rhythmusgitarre zu leise gemischt und die Drums zu dominant sind. Trotzdem bleibt der Gesamteindruck positiv: THE GREAT SEA liefern ein atmosphärisch dichtes, technisch versiertes Werk, das trotz kleiner Brüche, überzeugt und Lust auf mehr macht.

Punkte: 8/ 10

Autor: Nicki