
Band: ANOMIC
Album: Opacity
Genre: Thrash/Death Metal
Trackliste:
01. Opacity
02. This Blood Is Mine
03. On Deaf Ears
04. Opacity (Demo Version 2023)
Wo Spontaneität auf Ungeduld trifft und Wahnsinn auf technische Meisterleistung prallt, entstehen Scheiben wie Opacity. Die 2023 gegründete Thrash/Death-Metal-Formation ANOMIC, angeführt von Raafat „Raaf“ Atasi – feuert mit ihrer Debüt-EP ein technisch wie atmosphärisch massives Statement ab. Entstanden in nur drei Wochen, war die Veröffentlichung ursprünglich als schlichtes musikalisches Lebenszeichen gedacht – geworden ist sie ein bemerkenswert präzises Ausrufezeichen im Grenzbereich zwischen Thrash, Death und Black Metal. Der Geist großer Legenden wie Slayer, Morbid Angel, Death oder Testament schimmert dabei in Aufbau, Takt und Tempowechseln leicht durch, dient aber eher als Fundament für den eigenen Stil, der sich klar vom Erwartbaren abgrenzt.
Eingestiegen wird im Midtempo – mit technischem Gitarrensolo, das als Bridge den Auftakt für das Kommende bildet. Erstaunlich, dass es bei keinem der drei Tracks zu stumpfem und sinnlosem Geballer kommt, sondern ein klar strukturierter Einstieg mit musikalischem Fokus im Vordergrund steht. Bei „Opacity“ treffen bissige Shrieks auf mächtige Growls, die sich kontrastreich abwechseln und die Struktur des Songs gekonnt unterstreichen. Dabei bewegt sich der Drumbeat an der Grenze zwischen Black und Death Metal, was dem Song eine geniale Doppelschneide verpasst. Tempowechsel und gezielte Breaks sorgen für Abwechslung, ohne den Fluss zu unterbrechen. Besonders auffällig ist die Liebe zum Detail bei der Gitarrenarbeit, die die hier ins spiel gebracht wird: mal groovig, mal thrashig wechseln sie durch die Nummer, ohne den Death-Einschlag oder das Tempo zu verlieren.
„This Blood Is Mine“ setzt die EP auf hohem Niveau fort – technisch eine starke Nummer, die ihresgleichen sucht. Der Track wirkt wie ein Frontalangriff an den Drums, mit Rückendeckung durch Bass und Vocals, die hier die Wucht der Sounds liefern. Das Riffing ist so intensiv, dass das Zuhören stellenweise fast anstrengend wird – allerdings auf die bestmögliche Weise. Aber das ist die, schon durch PAINDEMONIUM bekannte Handschrift von Raaf: Variable Riffs, starke Soli und hörbare Spielfreude – je komplexer, desto besser. Auch bei „This Blood Is Mine“ ist das nicht anders. Perfekt greifen die Takt- und Tempiwechsel im Kanon mit den Shrieks und Growls ineinander, während das technische Level zu keinem Zeitpunkt abflaut. Ein kleiner Kritikpunkt ist der plötzliche Stilbruch gegen Ende des Tracks. Dieser wirkt leicht unrund, als hätte man sich nicht ganz entscheiden können, ob man das Momentum halten oder doch nochmal überraschen will.
Das Highlight der EP ist „On Deaf Ears“. Mit einem tückischen, fast schon ruhigen Intro, das leicht an Tiamat erinnert, schleppt sich der Track dahin, doch danach ist von Ruhe auch bei „On Deaf Ears“ keine Spur mehr. Denn nach dem absolut sauberen und wie könnte es anders sein, technisch komplexen Solo beginnt die Nummer zu explodieren. Was folgt, ist ein perfektes Zusammenspiel aus Blastbeats im Marschtempo, beißenden Riffs und abgründigen Vocals, die bei „On Deaf Ears“ teilweise vom schwedischen Gastsänger Stefan Nordström (DESOLATOR) übernommen werden, dessen Brachial-Voice durch die gesprochenen Passagen sowie die Takt- und Tempiwechsel noch mächtiger wirkt. Gleichzeitig gelingt es ANOMIC, nie in Beliebigkeit oder technische Monotonie abzurutschen – der Sound bleibt lebendig, intensiv und vollkommen eigenständig.
Fazit:
Opacity klingt nicht wie ein Ungeduldswerk, das in drei Wochen aus dem Nichts entstanden ist – sondern wie das Ergebnis monatelanger Studioarbeit. Was ANOMIC hier rausfeuern, wirkt auch nicht wie eine Erstlings-EP, die nur dazu da ist, um zu zeigen, dass man existiert, sondern wie der Schulterschluss genialer Musiker, die sich zusammentun, um etwas Ernstzunehmendes abzuliefern.
Was dabei besonders hängen bleibt: die technische Präzision an allen Fronten. Die Drums prügeln, ohne zu verwischen, der Bass liefert Rückgrat und Wucht, das Gitarrenspiel pendelt zwischen Groove, Thrash und Melodie – variabel, intensiv, komplex. Raafs Handschrift zieht sich wie ein roter Faden durch alle drei Tracks, und die Kombination aus Shrieks, Growls, Breaks und Tempiwechseln wirkt nie konstruiert, sondern sitzt genau da, wo sie hingehört.
Ein Pünktchen Abzug gibt es trotzdem für den Stilbruch in „This Blood Is Mine“, da dieser leicht unrund wirkt und der Nummer an Schlagkraft kostet. Zwar meckern wir hier auf extrem hohem Niveau, aber bei einer drei Nummern starken EP darf das nicht sein. Die Kernaussage aber bleibt: technisch extrem anspruchsvoll, genial in der Umsetzung – und ein Warm-up, das den Hörer ungeduldig auf mehr warten lässt.
Punkte: 9/ 10
Autor: Nicki