TRACES TO NOWHERE – Lost Tribe (2024)

Band: TRACES TO NOWHERE
Album: Lost Tribe
Genre: Progressive/Atmospheric Rock/Metal

Trackliste:
01. The Dreaming
02. Blurry Pictures
03. Voices
04. When The Silence Screams
05. Singles
06. Doom
07. The Spring To Come
08. Lost Tribe
09. Gravity

Dieses polnische Quartett beglückt uns nach Up To The Sun (2018) hiermit mit seinem zweiten Album. Mit herkömmlichen Metal-Klischees haben TRACES TO NOWHERE absolut nix am Hut. Es gibt kein „höher, weiter, schneller“-Haudraufgeknatter, nur intelligente, spannende Musik mit weiblichen Vocals und interessanten Gesangsarrangements.

Die Musik gleitet oft sehr entspannt dahin und vermittelt ein Gefühl von Wärme, Entspannung und Sanftmut. Doch unterschwellig ist er da, dieser kleine aggressive Unterton, der sich zwischendurch immer wieder in den Vordergrund spielt. Die wunderbare Stimme von Karolina dominiet die Songs und besonders spannend wird es, wenn der klaren Ausformung im Duett hintergründige Growls beigemengt werden. Doch nicht nur der Gesang weiß zu gefallen, auch die mal mehr, mal weniger epischen Songaufbauten sammeln Pluspunkte. Der volle, erdige Klang und die aufbrausenden Songstrukturen vermitteln ein kraftvolles Flair, wobei allerdings durch die feinfühlige Stimme sowie Instrumentierung die Harmonie keineswegs zu kurz kommt. Sphärisch schwebt schon der Opener „The Dreaming“ daher, mit verfremdeten Sounds und einem harschen Ausbruch im Verlauf des Stückes. Genau diese unterschwellige Bissigkeit ist es, die den Kompositionen die Unvorhersehbarkeit und Spannung verleiht, um den Hörer zu fesseln. Die Stimme passt sich den unterschiedlichen Stimmungen perfekt an und hält sich mit geflüsterten Worten auch mal nobel zurück. Trippige Passagen wie der Beginn von „Blurry Pictures“ mischen sich mit halb klar gesungenen, halb fies gekreischten Textinterpretationen, die teilweise gekonnt übereinandergelegt werden. Dazwischen wird der Rezipient in traumwandlerischer Sicherheit gewogen, wenn fragile Arrangements mit sphärischen Gitarren, einigen sich aufbäumenden Drumfigurn und spacigen Sounds kollaborieren und zu einem kraftstrotzenden Gesamtpaket fusionieren. Vielschichtigkeit und doch keine Überfrachtung – so lautet das Geheimnis dieser Klangtüftler, die bei Anhängern von The Gathering, The 3rd and The Mortal oder auch Flowing Tears großen Anklang finden dürften. Wunderbar organisch integriert sich ein Saxophon als bereichernde Klangfarbe beim entspannten „Voices“ und unterstrecht die stilistisch offene Herangehensweise von TRACES TO NOWHERE. Genanntes, Metal-untypische Instrument taucht dankenswerterweise später bei „The Spring To Come“ noch einmal auf, in unaufdringlich bereichernder Weise, aber sehr effektiv. Alles ist erlaubt, egal ob ein wieherndes Sax oder powervolle Gitarren – und trotzdem geht der rote Faden nicht verloren. Meist treiben die Songs entspannt dahin und der Hintergrund wird mit allerhand feinen Akustikpatterns oder Gesängen ausstaffiert, sodass sich kontemplative Sounds und detailreiche Klänge wie ein Puzzle zu einem wunderbar facettenreichen Gesamtbild zusammenfügen. Der ruhige Titelsong lebt und vibriert durch sparsame Percussions, emotionale Streicher und elegische Gesänge, ehe „Gravity“ mit gelungenen Basslinien und moderat heftigen Gitarren einen energischen Schlusspunkt setzt.

Fazit:
TRACES TO NOWHERE ignorieren Grenzen, sie schnüren trippige Sounds, kernige Gitarrenriffs, total ruhige Schwebepassagen, balladeske Parts, dezente Experimentierfreude und hintergründige Aggression mit detailreicher Dynamik zu einem stimmigen Gesamtpaket.

Punkte: 9 / 10

Autor: Leonard