
Band: SCARECROW NWA
Album: IX
Genre: Progressive/Melodic Death Metal
Trackliste:
01. I – Limbo
02. II – Lust
03. III – Gluttony
04. IV – Greed
05. V – Wrath
06. VI – Heresy
07. VII – Violence
08. VIII – Fraud
09. IX – Treachery
SCARECROW NWA geistern seit 1994 durch die Musiklandschaft, in diesen 3 Jahrzehnten erblickten bisher 5 Longplayer und 3 EPs nebst einem Demo und einer Live-Scheibe das fahle Licht des Undergrounds. Die progressive Spielart des Quintetts war noch nie ganz einfache Kost zum Nebenbeihören – ob das beim neuen Werk IX auch so ist?
Die Scheibe startet dystopisch mit waberndem Sound und einem Sprachsample, danach folgen breaklastige, gitarrendominierte Takte, die den Boden für die kraftvoll hereinbrechenden, bissigen Vocals ebnen. Die Stimme wechselt behände zwischen rauen Growls sowie angethrashtem Gekeife und im weiteren Verlauf setzt Sänger Bernd auch charakteristischen Klargesang ein. Schon dieser Vokalmix sorgt für eine abwechslungsreiche Performance, doch auch die vielen Soli und Leads der Gitarre halten die Songs spannend. Die Rhythmussektion pusht die Stücke ordenlich nach vorne, doch neben aller Technik vergessen die gewieften Musiker nicht auf Hooks und Melodien. Die lebendig pulsierende Mucke lässt auch Platz für ruhige Momente wie das akustische Intro von „Lust„, ehe später ratternde Rhythmen und feine Taktwechsel für Stimmung und Bewegung sorgen, plakative Refrains sind da nicht so wichtig. Powerchords gehen mit angedoomten Vibes und einem ruhigen Part am Ende eine gekonnte Fusion ein. Flatternde Riffs und schwere Grooves durchziehen die stampfende Nummer „Gluttony„, wobei die dissonanten Zwischentöne und ambitionierten Vocals für pointierten Pfiff sorgen, der harsche Wechsel zum ruhigen Solopart allerdings ein bisschen ruppig daherkommt. Das Sound-Puzzle fügt sich erst nach einer gewissen Phase des Einhörens zu einer stimmigen Einheit zusammen. Eine schöne Gesangsharmonie geht während das hackenden „Greed“ mit hektischen Riffs spazieren, hier kann man die Energie förmlich spüren und die Vocals setzen sich ebenso im Kleinhirn fest – eine gelungene Nummer! Manchmal setzt die Band auf einfachen Thrash, dann kommen dem Power Metal nahe Vocals zum Einsatz und im Hintergrund tobt sich Gitarrist Alex nach Herzenslust auf dem coolen Rhythmusfundament aus. Auch bei den epischer angelegten Stücken wie „Heresy„, „Violence“ (Highlight!) oder „Treachery“ findet die Band eine griffige Balance zwischen ruhiger Gelassenheit, aufbrausender Melodik und wütend dahinstapfenden Parts, sodass der geneigte Hörer variabel ohne Kopflastigkeit unterhalten und trotzdem gefordert wird. Kompositorischer Glanzpunkt: das fein aufgebaute „Violence“ das einen schönen akustischen Bogen spannt und mitnichten bloß auf die titelgebende Komponente setzt. Das erneute Sprachsample zum Ausklang des Finales „Treachery“ schließt den Kreis im Albumkontext in stimmungsvoller Weise.
Fazit:
Sehr feine, teils ausgedehnte Gitarrenpassagen und variable Vocals bilden das Grundgerüst für den komplexen, aber nicht übertechnischen Sound von SCARECROW NWA. Einige Übergänge sind recht drastisch und brachial, doch diese krassen Gegensätze ergeben Sinn. Nach ein paar Durchläufen offenbart dieses Album neben technischen Feinheiten auch groovige oder moderne Facetten, doomige Nuancen und ein paar Ruhepole zum Ausbalancieren inmitten der neun Kreise der Hölle, die als Konzept inhaltlich auf IX behandelt werden.
Punkte: 9 / 10
Autor: Leonard