
Band: GREEN CARNATION
Album: A Dark Poem, Part I: The Shores of Melancholia
Genre: Progressive Metal
Label: Season Of Mist
Trackliste:
01. As Silence Took You
02. In Your Paradise
03. Me My Enemy
04. The Slave That You Are
05. The Shores Of Melancholia
06. Too Close To The Flame

GREEN CARNATION hat eine bewegte Biographie: 1990 vom damals 16 jährigen Tchort als Death Metal-Band in Kriastiansand (Norwegen) gegründet, entwickelte sie sich in Richtung Progressive Metal. Vor allem aber gab es mehrere Brüche und Unterbrechungen in der Band-Bio. 2016 wurde der bereits dritte Start in Angriff genommen. 2020 erschien das Album Leaves of Yesteryear, das von der Kritik sehr positiv aufgenommen wurde. Freilich: die handelnden Personen waren nie tatenlos, sondern engagierten sich bei Genre-Größen wie EMPEROR oder IN THE WOODS… und doch blieb GREEN CARNATION immer etwas im Schatten ihrer Geschwister-Bands. Das neue im September 2025 erscheinende Album A Dark Poem, Part I: The Shores Of Melancholia ist das erste des ambitionierten Trologie-Projekts A Dark Poem, inspiriert von Arthur Rimbaud oder William Shakespear.
Wie man erfährt, wollen die Norweger an ihren 2001 erschienen Meilenstein Light of Day, Day of Darkness anschließen. Mit der Trilogie A Dark Poem wollen sie insbesondere die Elemente der Epicness und des Storytelling aufgreifen und gleichzeitig etwas gänzlich Neues bieten. Die Songs und Lyrics stammen aus der Feder des Bassisten Stein Roger. Der zentrale Topos ist das Gefühl der Entfremdung, die Trilogie der Versuch dieses Gefühl in existentiellen Fragen und bis ins Innerste zu erforschen. Der Opener „As Silence Took You“ ist der unmittelbare Zugang zur musikalischen Welt von GREEN CARNATION. Melodisch, faszinierendes Songwriting, aber auch eine frische Direktheit und Härte. Clean Vocals, die zwischen Überzeugung und unsicherer Zerbrechlichkeit schwanken. Ein gelungenes Arrangement, das auch musikalisch die Tiefe vermittelt, die sich im lyrischen Motiv zeigt. Die Rhythmussektion ist stabil wie ein Fels in der Brandung, die Gitarren zwischen dunkel, hart einerseits und hoffnungsvoll, lebendig auf der anderen Seite, ergänzt und angereichert von einem Synthie-Klangteppich, der gelegentlich zu einer wahren Klangwand aufsteht, aber nie klebrig wird. Ein Paradebeispiel für die Arbeit der Rhythmusabteilung ist das melancholische „Me My Enemy„, das langsam beginnt und so den Rahmen bildet, in dem sich die nachdenklichen, selbstreflexiven Lyrics in einer gelungenen Vocal-Line in direkter Linie auf einen mächtigen Höhepunkt zu entwickeln können. Das folgende „The Slave That You Are“ hingegen überfällt mit einer unerwarteten Aggressivität, geprägt von massiven Blastbeats und den Gastvocals von Grutle Kjellson (ENSLAVED), aber auch den Kontrasten die aufgemacht werden. Die gibt es es den melodischen Chorus, vor allem aber eine Bridge bei etwa der Mitte des Songs, die den Song in eine geisterhaft, beschwörende Atmosphäre wandelt. Der für mich stärkste Song ist der Titeltrack „The Shores Of Melancholia„. Was für ein Riff, was für ein Rhythmusgerüst, was für verletzliche Vocals, was für ein wunderbares Bild des in der Dunkelheit nach Licht schnappenden Ichs, das sich doch auch in der Melancholie, unter scharlachroten Wolken, so wohl fühlt – stimmungsvoll, mysteriös, großartig. Der Closer „Too Close To The Flame“ ist ein deutlich direkterer Song, die etwas dreckig verzerrten Gitarren und die druckvollen Drums verleihen ihm Energie und runden das Album sehr gelungen ab und fachen schon jetzt die Vorfreude auf Teil zwei und drei der Trilogie an.

Fazit:
A Dark Poem ist ein ambitioniertes Trilogie-Projekt, der erste Teil The Shores Of Melancholia legt ganz ordentlich vor. Hier treffen musikalische Meisterschaft auf exquisite Songwriting-Skills und eine Geschichte, die erzählt werden will, ja erzählt werden muss! Die Songs haben eine noch gut verdauliche Länge, kommen auch recht gut hörbar und eingängig daher, sind aber dennoch keine leichte Kost. Mit schnell mal einlegen und nebenbei hören ist hier nicht, es braucht Ruhe, die richtige Stimmung und Bereitschaft sich einzulassen, dann wird man mit einem ganz großartigen Album belohnt.
Punkte:

Autor: distelsøl